– Bruderhahn Initiative Deutschland e. V.
1. Wie stellt sich die aktuelle rechtliche Situation hinsichtlich des Kükentötens dar und wie beurteilen Sie diese?
Nach dem Gerichtsurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Juni 2019 (BVerwG 3 C 28.16) dürfen weiterhin männliche Küken getötet werden, nur weil sie keine Eier legen und schlecht Fleisch ansetzen. Zwar stellt das Töten männlicher Küken aus wirtschaftlichem Interesse der Brutbetriebe auf Grundlage des Tierschutzgesetzes keinen „vernünftigen Grund“ mehr dar, jedoch zieht das Bundesverwaltungsgericht nicht den letzten, weitreichenden aber konsequenter Weise notwendigen Schluss aus seiner Argumentation und verbietet das Kükentöten ganz.
Einen „vernünftigen Grund“ sieht das Gericht jetzt in der Vermeidung einer doppelten Umstellung der Brütereien: „zunächst, um mit hohem Aufwand eine Aufzucht der männlichen Küken zu ermöglichen, um dann voraussichtlich wenig später ein Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei einzurichten oder ihren Betrieb auf das Ausbrüten von Eiern aus verbesserten Zweinutzungslinien umzustellen“ (PM des BVerwG Nr. 47/2019 vom 13.6.2019). Damit erkennt das BVerwG indirekt doch wirtschaftliche Aspekte an.
Besonders enttäuschend ist diese Entscheidung, weil das Gericht in seiner Abwägung herausarbeitet, dass im Grunde bereits die Nutzung von Legehennenrassen nicht mit dem Tierschutzgesetz vereinbar ist, da dem Leben der männlichen Küken jeder Eigenwert abgesprochen wird und ihre „Nutzlosigkeit“ von vornherein feststeht. Dies ist eine Aussage, die uns und besonders die ÖTZ in ihrer Arbeit bestätigt.
Statt das Töten der männlichen Küken weiterhin zu rechtfertigen, wäre die aus unserer Sicht konsequente Schlussfolgerung, dass weder eine Methode wie die Geschlechtsbestimmung im Ei, die weiterhin das Aussortieren der männlichen Küken zum Ziel hat, eine Lösung darstellt, noch ein Fortfahren mit der Praxis des Kükentötens gebilligt werden kann. Echte Alternativen sind vielmehr die oben genannten: übergangsweise Bruderhahnaufzucht und auf lange Sicht die Umstellung auf Zweinutzungsrassen.
2. Wie bewerten Sie die verschiedenen Verfahren zur Früherkennung des Kükengeschlechts? Stellen diese Verfahren – sobald sie marktreif sind – eine Alternative zur Bruderhahnaufzucht für Sie da?
Wissenschaftlich ist nachgewiesen, dass spätestens am 7. Bruttag bei einem Hühner-Embryo ein Schmerzempfinden nachweisbar ist. Fotos belegen, dass der Embryo bereits als Küken zu erkennen ist. Diese Praxis bedeutet also keine Vermeidung des Kükentötens, sondern ist ebenfalls als Töten des Kükens zu sehen – lediglich zu einem früheren Zeitpunkt.
Offen bleibt an der Stelle auch wie die aussortierten angebrüteten Eier fachgerecht vernichtet werden sollen und was mit der „Masse“ anschließend passieren soll. Das ist ethisch und moralisch aus unserer Sicht definitiv nicht tragbar und mit den Leitbildern der Branche nicht vereinbar. Die BID lehnt deshalb die Selektionsmethoden ab!
Hinzu kommen weitere relevante Gesichtspunkte:
Die In-Ovo-Methode ändert nichts an den bestehenden Monopol-Strukturen, die es in der Geflügelzüchtung weltweit gibt. Im Gegenteil, die Geschlechtsbestimmung im Ei würde bestehende Strukturen noch mehr festigen, die ökologischen Geflügelhalter und Brütereien würden in weitere Abhängigkeiten der Agrarindustrie geraten. Zur Verdeutlichung: Nahezu 100 Prozent der im Öko-Landbau eingesetzten Hennen stammen aus dem Hause der großen Zuchtfirmen. Erst seit den Zuchtbestrebungen der ökologischen Geflügelzucht, der ÖTZ, wird dem etwas entgegen gesetzt.
3. Was sind aus Ihrer Sicht die Vorteile der Bruderhahn-Aufzucht oder der Haltung von Zweitnutzungshühnern im Vergleich zu den Verfahren zur Früherkennung des Kükengeschlechts?
Die Bruderhahn Initiative hat sich in 2012 gegründet, um dem nutzlosen Töten der männlichen Küken nach dem Schlüpfen ein Ende zu bereiten. Jedoch war von Anfang an klar: Das ist eine Übergangslösung bis die ökologische Geflügelzucht das Öko-Huhn von morgen entwickelt hat, das sogenannte Zweinutzungshuhn, bei dem die Henne genügend Eier legt und sich der Hahn dazu gut mästen lässt. Mit Unterstützung der BID gründeten die Anbauverbände Bioland und Demeter in 2015 die Ökologische Tierzucht gGmbH (ÖTZ).
Die Züchtung von Zweinutzungshühnern muss nun weiter voran gehen, erste Erfolge mit den Zweinutzungsgenetiken der ÖTZ „Cream“ und „Coffee“ sind vorzeigbar. Diese Hennen sind keine Turbo-Eierlegerinnen, etwa 20 Prozent weniger als die übliche Legeleistung ist zu erwarten. Doch die Tests in der Praxis laufen gut. Öko-Geflügelhalter sind aufgefordert sich an den Erprobungen der Hennen und Hähne zu beteiligen.
Konsumenten von Premium-Bioprodukten wird so zukünftig eine ganzheitliche Alternative angeboten werden können, allerdings sicher nicht zu den bislang üblichen Preisen für Bio-Eier. Es wird zukünftig an der Ladenkasse entschieden werden, ob einem das Tierwohl und die Unabhängigkeit von Agrarkonzernen wirklich ein paar Cent pro Ei mehr wert ist.
4. Wie viel Prozent der männlichen Küken werden aktuell im Rahmen Ihres Konzepts zu Bruderhähnen aufgezogen? An welchen Standards orientieren Sie sich bei der Aufzucht der männlichen Küken?
Pro Legehenne darf ein männliches Küken mit aufwachsen, das heißt, es werden 100% der männlichen Küken aufgezogen. Die Aufzuchtbetriebe der Bruderhahn Initiative Deutschland sind alle entweder Demeter- oder Bioland-zertifiziert, müssen also die jeweiligen Standards dieser Bio-Verbände einhalten. Die Küken stammen soweit wie möglich grundsätzlich von einer ökologischen Elterntierherde ab. Die Aufzuchtdauer beträgt mindestens 14 Wochen, geht aber bei einigen BID-Betrieben darüber hinaus bis zu 20 Wochen.